Verletzung des rechtlichen Gehörs im Außerstreitverfahren
§ 15 AußStrG verankert den Prozessgrundsatz des rechtlichen Gehörs.
Nach Art. 6 EMRK muss den Parteien eine "ausreichende, angemessene und gleiche" Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt werden.
Den Parteien ist nach dem Grundsatz des allseits rechtlichen Gehörs auch im Außerstreitverfahren die Möglichkeit zu gewähren, sich zum Verfahrensgegenstand zu äußern und zu den Beweisergebnissen Stellung zu nehmen. An sich basiert jedes rechtsstaatliche Verfahren darauf, dass allen Parteien "rechtliches Gehör" zu gewähren ist. Massive Verletzungen hätte Nichtigkeit des Verfahrens zur Folge. Es gibt daher quasi kein Geheimverfahren. Jede Partei muss immer gleichen (praktisch vollen) Zugang zu allen Aktenstücken haben. Oft gehen jedoch die Gerichte in erster Instanz so vor, dass nach Einlangen von Beweismitteln (z.B. Gehaltsauskünfte oder Gutachten) sofort eine Entscheidung getroffen wird, ohne dass die Parteien Gelegenheit hatten, Stellung zu beziehen. Die Judikatur lässt eine Sanierung dadurch zu, dass die Partei die Möglichkeit hätte Rekurs zu erheben. Aber Achtung: Hier beträgt die Frist 14 Tage, die oft genug schlicht zu kurz ist um qualifiziert Stellung zu beziehen (z.B. zu Gutachten). Das wäre dann im Rekurs zu bemängeln.
Der Grundsatz des Parteiengehörs erfordert nur, dass der Partei ein Weg eröffnet wird, auf dem sie die Argumente für ihren Standpunkt sowie überhaupt alles vorbringen kann, das der Abwehr eines gegen sie erhobenen Anspruchs dienlich ist. Das rechtliche Gehör ist daher etwa auch dann gewahrt, wenn sich die Partei nur schriftlich äußern konnte oder geäußert hat.
Im Verfahren außer Streitsachen genügt zur Wahrung des rechtlichen Gehörs, den Parteien die Möglichkeit der Stellungnahme zu eröffnen.
Eine mögliche Verletzung des rechtlichen Gehörs im Verfahren erster Instanz wird geheilt, wenn die Möglichkeit bestand, den eigenen Standpunkt im Rekurs zu vertreten.
Allerdings müssen die Parteien nicht zu jedem einzelnen Beweisergebnis gehört werden. Der Mangel des rechtlichen Gehörs im Außerstreitverfahren in erster Instanz wird behoben, wenn Gelegenheit bestand, den eigenen Standpunkt im Rekurs zu vertreten; dieser Grundsatz kann aber nicht angewendet werden, wenn das Recht der Parteien auf rechtliches Gehör in wesentlichen Punkten verletzt wurde.
Die Unterlassung der Zustellung eines - in die Feststellungen eingeflossenen - Gutachtens vor der Entscheidung könnte daher eine Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens bewirkt haben.
Nach der Neuordnung des Revisionsrekursrechts im Verfahren außer Streitsachen durch die Wertgrenzennovelle 1997, BGBl I/140, und dessen Anpassung an das Revisionsrecht der Zivilprozessordnung können behauptete Nichtigkeiten erster Instanz, die nicht auch dem Verfahren der zweiten Instanz anhaften, deren Vorliegen das Rekursgericht - wie hier - verneint hat, auch im Verfahren außer Streitsachen nicht mehr zum Gegenstand der Bekämpfung der rekursgerichtlichen Entscheidung gemacht werden.
Durch die Gewährung rechtlichen Gehörs soll den Verfahrensbeteiligten auch die Gelegenheit gegeben werden, zusätzlich für sie vorteilhafte Tatsachen und Beweismittel vorzubringen.
Der Mangel des rechtlichen Gehörs im Außerstreitverfahren in erster Instanz wird behoben, wenn Gelegenheit bestand, den eigenen Standpunkt im Rekurs zu vertreten. Dieser Grundsatz kann aber dann nicht angewendet werden, wenn das Recht der Parteien auf rechtliches Gehör in wesentlichen Punkten verletzt wurde.
Der Mangel des rechtlichen Gehörs im Außerstreitverfahren in erster Instanz wird behoben, wenn Gelegenheit bestand, den eigenen Standpunkt im Rekurs zu vertreten.
Im Revisionsrekurs
Die Auslegung, daß die bloße Verweisung des Rechtsmittelwerbers in seinem Rechtsmittel auch eine frühere Eingabe den Rekurs unbeachtlich macht, ist streng, begründet aber keinen mit Nichtigkeit bedrohten Verfahrensverstoß, insbesondere auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.
Der im Art 6 Abs 1 MRK verankerte Grundsatz des rechtlichen Gehörs gilt auch im außerstreitigen Verfahren. Seine Verletzung bewirkt immer dann eine Nichtigkeit, wenn der Partei die Möglichkeit zu einer Stellungnahme genommen wurde, nicht aber dann, wenn die Partei noch mit Rekurs wegen der Neuerungserlaubnis nach § 10 AußStrG Tatsachen und Beweismittel vorbringen hätte können. Diese Möglichkeit steht der Partei dann nicht offen, wenn sie gegen den erstinstanzlichen Beschluss kein Rechtsmittel ergreifen wollte. Die vorbeugende Erhebung eines Rekurses zur Geltendmachung der Verletzung des Gehörs ohne gleichzeitige Bekämpfung der Entscheidung in merito hätte zu einer Zurückweisung des Rekurses wegen Fehlens eines Rechtsschutzinteresses führen müssen. Die Partei ist erst durch die Rekursentscheidung beschwert.
Der mögliche Ausschluss des Unterhaltsschuldners vom Verfahren erster Instanz nach § 12 UVG ist unbedenklich, weil es dem Unterhaltsschuldner ohnehin offensteht, im Rekursverfahren entsprechende Neuerungen vorzubringen.
Werden mit der Entscheidung die Unterlagen zur Wahrung des rechtlichen Gehörs mit übermittelt, so ist der Rechtsmittelwerber nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet seine Einwendungen im Rechtsmittel zu erheben, widrigenfalls darauf nicht Bedacht zu nehmen ist.
§ 15 AußStrG ab 01.01.2005
Rechtliches Gehör
AußStrG § 15 Den Parteien ist Gelegenheit zu geben, von dem Gegenstand,über den das Gericht das Verfahren von Amts wegen eingeleitet hat, den Anträgen und Vorbringen der anderen Parteien und dem Inhalt der Erhebungen Kenntnis zu erhalten und dazu Stellung zu nehmen.
§ 58 AußStrG ab 01.01.2005
AußStrG 58 (1) Ist selbst auf Grund der Angaben im Rekursverfahren der angefochtene Beschluss zur Gänze zu bestätigen, so hat das Rekursgericht, auch wenn
1. einer Partei das rechtliche Gehör nicht gewährt worden ist,
2. eine Partei in dem Verfahren nicht oder, falls sie eines gesetzlichen Vertreters bedarf, nicht durch einen solchen
vertreten war und die Verfahrensführung nicht nachträglich genehmigt wurde oder
3. entgegen besonderer gesetzlicher Vorschriften nicht mündlich verhandelt wurde, den Beschluss nicht aufzuheben, sondern selbst in der Sache zu entscheiden.
(2) Eine nachträgliche Genehmigung der Verfahrensführung liegt insbesondere dann vor, wenn der gesetzliche Vertreter, ohne den Mangel der Vertretung geltend zu machen, durch Erhebung des Rekurses oder Erstattung der Rekursbeantwortung in das Rekursverfahren eingetreten ist.
(3) Kommt eine Entscheidung nach Abs. 1 nicht in Betracht und kann der angefochtene Beschluss auch nicht ohne weitere Erhebungen abgeändert werden, so sind er und das vorangegangene Verfahren, soweit es vom Verfahrensverstoß betroffen ist, aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung, allenfalls nach Verfahrensergänzung oder -wiederholung, an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen.
(4) Das Gericht hat den angefochtenen Beschluss jedenfalls aufzuheben und nach Abs. 3 vorzugehen, wenn
1. ein ausgeschlossener oder mit Erfolg abgelehnter Richter oder Rechtspfleger entschieden hat,
2. anstelle eines Richters ein Rechtspfleger entschieden hat oder
3. das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war.
§ 66 AußStrG ab 01.01.2005
AußStrG § 66 (1) In einem Revisionsrekurs kann nur geltend gemacht werden, dass
1. ein Fall der §§ 56, 57 Z 1 oder 58 gegeben ist;
2. das Rekursverfahren an einem Mangel leidet, der eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Sache zu hindern geeignet war;
3. der Beschluss des Rekursgerichts in einem wesentlichen Punkt eine tatsächliche Voraussetzung zugrunde legt, welche mit den Akten erster oder zweiter Instanz im Widerspruch steht;
4. der Beschluss des Rekursgerichts auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache beruht.
(2) Neue Tatsachen und Beweismittel können nur zur Unterstützung oder Bekämpfung der Revisionsrekursgründe vorgebracht werden.