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Seite angelegt am: 15.10.2006 ; Letze Bearbeitung: 23.01.2009

ehrenrührige Prozessbehauptungen

Sehr häufig kommt von Betroffenen - vor allem in Ehescheidungsverfahren und Pflegschaftsverfahren der Wunsch, den "Gegner" oder "gegnerische Zeugen" aufgrund falscher und ehrenrühriger Prozessbehauptungen eine "Verleumdungsklage" oder ähnliches anzuhängen. Auf dieser Seite soll kurz erläutert weden, warum eine solche Vorgangsweise in der Regel sinnlos ist und nur weitere Kosten verursacht.

Als Anspruchsgrundlage kommen die Bestimmungen der §§ 111 ff, 297  StGB und § 1330 ABGB in Frage.

Für Ansprüche nach § 1330 ABGB gilt, dass vertrauliche Mitteilungen an Behörden oder sonst zuständige Stellen, die nicht nur zur Verschwiegenheit, sondern auch zu einer gewissenhaften Nachprüfung der Angaben verpflichtet sind, selbst bei Unwahrheit der Tatsachenmitteilungen nicht schlechthin rechtswidrig sind. Derjenige, der eine seiner Meinung nach im Interesse der Gesamtheit wesentliche Anzeige oder Mitteilung macht, soll davor geschützt werden, den Wahrheitsbeweis antreten zu müssen. Wesentlich ist hiebei die Zuständigkeit des Empfängers zur Nachprüfung der Angaben, weil bei Bejahung dieser Zuständigkeit das im § 1330 Abs 2 dritter Satz ABGB angeführte berechtigte Empfangsinteresse vorliegen kann.  Straf- und Disziplinaranzeigen an die zuständigen Stellen sind also grundsätzlich gerechtfertigt, es sei denn, die Beschuldigung wird vom Anzeiger wider besseres Wissen erhoben. Davon kann hier nach den getroffenen Feststellung aber nicht ausgegangen werden. Die dem Tatsachenbereich zuzuordnenden Ausführungen des Berufungsgerichts, dem Kläger sei bei keinem der im Schreiben enthaltenen Vorwürfe der Beweis der Unwahrheit gelungen, sind vom Obersten Gerichtshof im Rahmen einer Rechtsrüge nicht überprüfbar. Soweit das Schreiben bloß Werturteile enthält, kann den Beklagte der Vorwurf der wissentlich unwahren Tatsachenbehauptungen nicht treffen  (hier Brief über Lehrer an Schulleiter und Landesschulrat (Startet den Datei-DownloadOGH 2005/12/01, 6 Ob 226/05m).

Gemäß § 114 Abs 1 StGB ist eine nach § 111 StGB tatbildliche Handlung gerechtfertigt, wenn der Täter hiedurch eine Rechtspflicht erfüllt oder ein Recht ausübt. In Ausübung eines Rechts handelt unter anderem der Anzeiger eines Sachverhalts, der seiner Ansicht nach den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte oder der Verwaltungsbehörde fallenden strafbaren Handlung bildet (§ 86 Abs 1 StPO bzw § 13 Abs 1 AVG), sofern er nicht bewusst (also wider besseres Wissen) unwahre Angaben macht und die Schranken des Notwendigen einhält; die Rechtfertigung nach § 114 Abs 1 StGB setzt weder die Wahrheit der ehrenrührigen Behauptung oder Anschuldigung noch den guten Glauben des Anzeigers an die Richtigkeit seiner Angaben voraus; allein eine Anzeige wider besseres Wissen ist nicht gerechtfertigt (Startet den Datei-DownloadOGH 2001/01/11, 15 Os 167/00).

instruktive Entscheidung zur Frage der "Klagbarkeit" von ehrenrührigen Behauptungen in Verfahren, gegenüber zuständigen und unzuständigen Behörden (Startet den Datei-DownloadOGH 2002/10/10, 6 Ob 239/02v).

Startet den Datei-DownloadOGH 2006/11/30, 6 Ob 184/04h

Ansprüche wegen Kreditschädigung wegen ehrenrühriger Äußerungen in einem Gutachten setzen Rechtswidrigkeit voraus, was für ein Gutachten Behauptung wider besseres Wissen erfordert (Startet den Datei-DownloadOGH 2004/08/26, 6 Ob 152/04b).

(Selbst) der besondere Schutz pflegebefohlener Personen rechtfertigt die Erhebung bewusst unrichtiger Vorwürfe im Sinne des § 1330 ABGB nicht (OGH 2008 /10/01, 6 Ob 205/08b).

die Folgen oder Möglichkeiten sich zu wehren

Öffnet einen externen Link in einem neuen FensterBeispiel eines "Drohbriefes" eines gegnerischen Anwalts 

Im Beispiel wehrt sich ein Anwalt namens seiner Klienten (Großmutter und Stiefgroßvater) gegen zweifellos ehrenrührige Behauptungen des leiblichen Vaters im Obsorgeverfahren, dass er gegen die Mutter um das gemeinsame uneheliche Kind führt (1 im Brief).

Der Vater hat jedoch absolut nichts zu befürchten. Ehrenrührige Behauptungen dürfen prinzipiell aufgestellt werden, wenn man durch die Aufstellung solcher Behauptungen eine Rechtspflicht erfüllt oder ein Recht ausübt (dazu § 114 Strafgesetzbuch). Dass die Behauptungen richtig sind wird nicht einmal gefordert. Die Grenze liegt nur dort, dass der, der ehrenrührige Behauptungen aufstellt nicht wissentlich falsche Behauptungen aufstellen darf. Das wäre dann eine Verleumdung oder eine üble Nachrede. Wissentlich heißt überdies, der Behauptende muss sich sicher sein, dass seine Behauptungen falsch sind.
Behauptungen, von denen der Behauptende eher annimmt, dass sie falsch sind, sich aber trotzdem nicht sicher ist, sind daher ebenfalls straffrei.

zum obigen Brief - die Androhung gerichtlicher Schritte (2 im Brief) ist daher eine Drohung, die nur nach hinten losgehen kann. Weder bei der zivilrechtlichen Klage, noch bei den strafrechtlichen Schritten hätten die Betroffenen eine Chance. Der Anwalt schreibt selbst zu 1) dass die Behauptungen im Pflegschaftsverfahren aufgestellt wurden. Nun darf sich jedermann (daher auch der Vater) an das Pflegschaftsgericht wenden und um Abhilfe ersuchen.

P.S.: der Anwalt hat trotzdem geklagt; die Gerichte haben die Klage in zwei Instanzen rechtskräftig abgewiesen (BG und LG Wels).

Zusammengefasst: bis auf sehr seltene Ausnahmefälle ist es völlig sinnlos, entsprechende Schritte zu unternehmen und Geld für den Anwalt dafür auszugeben.