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Fortführungsantrag - kein Einfluss auf die Frist für Wiederaufnahmeklage

Gemäß § 530 Abs 1 Z 5 ZPO kann ein Verfahren, das durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossen worden ist, auf Antrag einer Partei wiederaufgenommen werden, wenn ein strafgerichtliches Erkenntnis, auf welches die Entscheidung gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftig gewordenes Urteil aufgehoben ist.
Das strafgerichtliche Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 23. 8. 2013, 40 Hv 7/13g, das dem Urteil im wiederaufzunehmenden Verfahren zugrundelag, wurde nach den Feststellungen durch die Entscheidung des Landesgerichts Feldkirch vom 30. 4. 2018, 37 Ns 5/17s, mit dem rechtskräftig die Wiederaufnahme des Strafverfahrens bewilligt wurde, aufgehoben.
Nach § 358 Abs 1 StPO wird das frühere Urteil in den Fällen der §§ 353 bis 356 StPO durch die Bewilligung der Wiederaufnahme insoweit für aufgehoben erklärt, als es die Straftat betrifft, hinsichtlich der die Wiederaufnahme bewilligt wird. Die gesetzlichen Folgen der im ersten Urteil ausgesprochenen Verurteilung bleiben bis zur neuerlichen Entscheidung aufrecht.
Nach herrschender Auffassung ist für die Bewilligung der Wiederaufnahme nach § 530 Abs 1 Z 5 ZPO nicht bereits die Aufhebung des verurteilenden strafgerichtlichen Erkenntnisses durch die Bewilligung der Wiederaufnahme entscheidend, sondern erst die mit materieller Rechtskraftwirkung ausgestattete Beendigung der Strafverfolgung hinsichtlich jenes Straftatbestands, der dem wiederaufzunehmenden Zivilverfahren zugrundegelegt wurde. Danach besteht die Bindung des Zivilgerichts an das Straferkenntnis so lange, als es nicht nach Wiederaufnahme des Strafverfahrens zu dessen rechtskräftiger Einstellung oder einem rechtskräftigen Freispruch gekommen ist (RIS Justiz RS0044637 [T1]; Jelinek in Fasching/Konecny³ IV/1 § 530 ZPO Rz 104 f).
Diese Bindung des Zivilgerichts über die Bewilligung der Wiederaufnahme des Strafverfahrens hinaus wird in der Judikatur mit der in § 358 Abs 1 StPO angeordneten Fortdauer der gesetzlichen Urteilsfolgen begründet.
Von einer „Rechtsfolge der Verurteilung“ spricht man im strafrechtlichen Sinn dann, wenn das Gesetz selbst mit dem rechtskräftigen Strafurteil eine Konsequenz verknüpft, die unabhängig vom Willen oder einer Entscheidung des Gerichts eintreten soll (ua Ratz in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 27 Rz 1). Rechtsfolgen im Sinn des § 358 Abs 1 Satz 2 StPO sind etwa der Amtsverlust (§ 27 StGB) oder die Aufnahme in das Strafregister (Lewisch in Fuchs/Ratz, WK StPO § 358 Rz 20).
Allerdings ist auch bei der Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft nach § 190 Abs 2 StPO, die in Ansehung eines Wiederaufnahmsgrundes von der herrschenden Auffassung einem rechtskräftigen freisprechenden Urteil gleichgehalten wird, auch das Entscheidungsorgan selbst nicht endgültig daran gebunden (§ 193 Abs 2 und § 195 Abs 3 StPO). Die Staatsanwaltschaft kann ein nach § 190 StPO eingestelltes Ermittlungsverfahren unter bestimmten Voraussetzungen selbstständig und auch unabhängig von einem Antrag eines Opfers nach § 195 StPO fortführen. Die Einstellung nach § 190 StPO stellt insoweit keine endgültige Beendigung der Strafverfolgung mit materieller Rechtskraftwirkung dar.
Festzuhalten ist also, dass die Einstellung nach § 190 StPO eine Entscheidung ist, gegen die zwar kein ordentliches Rechtsmittel zulässig ist, die aber eine Fortführung des Verfahrens nach § 193 Abs 2 Z 2 StPO innerhalb der Verjährungsfrist nicht hindert, ohne dass diese Möglichkeit nach der Rechtsprechung etwas an der Eignung der Einstellung als Wiederaufnahmegrund ändert. Die Möglichkeit eines erfolgreichen Fortführungsantrags nach § 195 StPO tritt zu dieser Möglichkeit nur hinzu und verhindert die Geltendmachung der Einstellung als Wiederaufnahmegrund nach § 530 Abs 1 Z 5 ZPO ebenfalls nicht. Die endgültige Beseitigung jenes Urteils, dessen Bindungswirkung im wiederaufzunehmenden Verfahren noch angenommen wurde, bleibt in jedem Fall aufrecht. Zutreffend hat das Rekursgericht auch auf die doch sehr erhebliche und vor allem unberechenbare zeitliche Verzögerung hingewiesen, die andernfalls im Wiederaufnahmeverfahren eintreten könnte.
Das Rekursgericht ist damit zu Recht davon ausgegangen, dass die formalen Voraussetzungen für eine auf den Wiederaufnahmegrund des § 530 Abs 1 Z 5 ZPO gestützte Klage bereits vor der Entscheidung des Landesgerichts über den erhobenen Fortführungsantrag erfüllt waren und sie nicht als „verfrüht“ zu behandeln war.