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Warnung vor unkalkulierbaren Entwicklungen von Scheidungsverfahren - Diskussionsbeitrag

In einem Buch (Lászlo Méro, "Optimal entschieden? Spieltheorie und die Logik unseres Handelns")  habe ich vor ca. einem Jahr ein Spiel gefunden, dessen Auswirkung mir die Unkalkulierbarkeit von Ehescheidungsverfahren vor Augen geführt hat:

Die Dollarauktion:

Martin Shubik hat sich ein Spiel ausgedacht, bei dem ein Dollar versteigert wird.

Das Mindestgebot ist ein  Cent. Wer soviel bietet, kann den Dollar haben, solange keiner ihn überbietet. Das Spiel läuft nach den bei Versteigerungen üblichen Regeln ab, mit einer Ausnahme. Die Sonderregel sagt, dass das Geld nicht nur vom letzten Bieter bezahlt werden muss, sondern auch vom vorletzten. Wer am höchsten bietet, zahlt, was er geboten hat, und erhält den Dollar, während der Spieler, der das vorletzte Gebot macht, zahlt, was er geboten hat, aber nichts bekommt.

Es klingt ziemlich simpel, aber das Spiel hat es in sich. Und zwar nicht nur die Absurdität, daß der Dollar nach den Erfahrungen Shubiks im Durchschnitt für 324 Cents versteigert wird, der Versteigerer also fast sieben Dollar kassiert. Der Autor zeigt uns auch die alltäglichen, ja die politischen Vorkommen der Dollarauktion sowie ihre ethischen Implikationen.

Wann taucht ein Knackpunkt auf? Reduzieren wir es auf zwei Spieler A und B. A bietet 99 Cent, B hatte 98 Cent geboten. Für B ergibt sich folgende Situation: Hört er auf, hat er 98 Cent Verlust, steigert er auf 100 Cent und erhält er den Dollar, steigt er mit +/- 0 aus. Soweit so gut - er bietet 100 Cent. Für A fängt es von vorne an: Hört er auf, hat er 99 Cent Verlust, bietet er 101 Cent und erhält er den Dollar, hat er nur 1 Cent Verlust. Soweit so gut und so weiter ... Das durchschnittliche Ergebnis zeigt aber eines. A und B haben am Schluss beide einen Verlust, der weit höher ist, als wenn sie vor 100 Cent aufgehört hätten. Der durchschnittliche "Gewinner" zahlt 324 Cent und erhält den Dollar, hat daher einen Verlust von 234 Cent. Der "Verlierer" hat einen Verlust von 323 Cent.

Die Erkenntnisse für Scheidungsverfahren:

Praktisch nie ist es möglich, dass in einem Scheidungsverfahren einer völlig ohne Verlust aussteigt. Leider setzt sich diese Erkenntnis oft viel zu spät durch - die Leute steigen aus der Eskalation viel zu spät aus - bei 324 Cent. Viel vernünftiger ist es doch einen Weg der Einigung sehr bald zu suchen und zu finden. An beide Streitparteien aber ein Hinweis: wer nur darauf achtet, dass der Verlust des anderen größer sein muss als der eigene der vergrößert praktisch mit Sicherheit auch den eigenen Verlust.

Ein Beispiel für exzessive Kosten im Aufteilungsverfahren OGH 2004/11/23, 1 Ob 159/04w.