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Selbsterhaltungsfähigkeit und Beginn einer selbständigen Tätigkeit durch den UhBer

Auch nach Beendigung der Berufsausbildung oder dem Abbruch eines bis dahin betriebenen Studiums ist dem Unterhaltsberechtigten noch ein angemessener Zeitraum für die zielstrebige Arbeitsplatzsuche einzuräumen. Für die Stellensuche wurde ein Zeitraum von etwa sechs Monaten als angemessen erachtet.
Einer zielstrebigen Arbeitssuche ist die Aufnahme einer nicht von vornherein zum Scheitern verurteilten selbstständigen Tätigkeit gleich zu halten. Erzielt der Unterhaltsberechtigte in der Anfangsphase dieser Tätigkeit kein ausreichendes Einkommen, ist er daher ebenso wenig wie bei einer Arbeitsplatzsuche als selbsterhaltungsfähig anzusehen . Die Unterhaltspflicht kann in einem solchen Fall erst nach Ablauf einer angemessenen Frist für das Erzielen eigener Einkünfte erlöschen.
Die Rechtsprechung gesteht auch unterhaltspflichtigen Personen bei Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit eine gewisse Anlauffrist zu, innerhalb derer sich das Unternehmen konsolidieren soll. Während einer solchen Anlaufphase, deren Länge jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalls, vor allem von der Art des Betriebs, abhängig ist, muss sogar ein minderjähriges Kind eine vorübergehende Reduktion seiner Bedürfnisse in Kauf nehmen. Die Rechtsprechung beurteilte eine Anlaufdauer von rund zwei Jahren im Einzelfall als angemessen.
Anhaltspunkte dafür, dass der Aufbau einer selbstständigen Tätigkeit durch ein unterhaltsberechtigtes Kind innerhalb kürzerer Zeit zu bewerkstelligen ist, als dies bei unterhaltspflichtigen Personen der Fall ist, sind nicht ersichtlich.
Gleich dem in einer Berufsausbildung befindlichen oder mit der Arbeitsplatzsuche beschäftigten Kind muss auch ein Kind, das eine selbstständige Erwerbstätigkeit aufnimmt, den Aufbau einer solchen Tätigkeit zielstrebig betreiben.
Aus der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass weder der Abschluss der berufsbildenden höheren Schule noch die Beendigung des Fachhochschulstudiums des Antragstellers nach einem Studienjahr dessen Unterhaltsanspruch grundsätzlich entgegen stehen, wobei vielmehr hervorzuheben ist, dass die in der berufsbildenden höheren Schule erworbenen gartenbaulichen Fachkenntnisse offenkundig für die gewählte selbstständige Tätigkeit verwertbar sind.
Die getroffenen Feststellungen reichen aber nicht aus, um das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs verlässlich beurteilen zu können. Es fehlt an Tatsachensubstrat, um beurteilen zu können, ob der Antragsteller den Aufbau einer selbstständigen Tätigkeit zielstrebig verfolgt. So steht nicht fest, ob er bereits eine operative Tätigkeit in der Produktion oder dem Vertrieb von Pflanzenkulturen aufgenommen hat, wofür sich im Akt Anhaltspunkte finden. Es fehlt auch an konkreten Feststellungen zum Umfang der bereits vorgenommenen Vorbereitungstätigkeiten innerhalb der Zeitspanne nach Studienabbruch, zu den noch erforderlichen Aufbautätigkeiten und zu den Erfolgsaussichten der vom Antragsteller betriebenen Unternehmensgründung.
Ohne präzise Feststellungen zu diesen Fragen kann nicht beantwortet werden, ob der Antragsteller den Aufbau eines Unternehmens zielstrebig verfolgt(e) und ob dieses „nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt“ ist (war). Damit kann das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs des Antragstellers ab 1. 10. 2019 derzeit nicht beurteilt werden.
Dies macht die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Familienrechtssache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung erforderlich.