Einvernehmliche Ehescheidung und Vergleichswiderruf?
Eine Vergleichswiderruf ist grundsätzlich wohl nicht ausreichend, aber wohl verbesserungsfähig:
Mit seiner Rechtsrüge macht der Rekurswerber geltend, der festgestellte Sachverhalt sei im Hinblick auf die Urkunde ON 18 rechtlich unrichtig beurteilt worden. Aus formaler Sicht sei hervorzuheben, dass die Antragstellerin – selbst bei Auslegung des äußersten Wortsinns
- weder den Antrag auf einvernehmliche Scheidung zurückgezogen habe,
- noch einen Rekurs gegen den Scheidungsbeschluss erhoben habe.
Der Scheidungsbeschluss sei daher nach Auffassung des Rekurswerbers rechtskräftig. Die von der Antragstellerin in ON 18 geäußerten Wünsche auf Abändung des Vergleiches seien daher rechtlich irrelevant und könnten daher die Rechtskraft der Ehescheidung nicht verhindern. Infolge Rechtskraft des Ehescheidungsbeschlusses sei daher die Eingabe der Antragstellerin auch nicht verbesserungsfähig und die dennoch erfolgte Verbesserung ohne Rechtswirkung.
Auch ein Vergleich über die Scheidungsfolgen nach § 55a Abs 2 EheG könne wegen Willensmängeln oder Sittenwidrigkeit (Wucher) angefochten werden. Dies bleibe auf die Wirksamkeit des Scheidungsbeschlusses ohne Einfluss. Hervorzuheben sei, dass die Antragstellerin mit keinem Wort erklärt habe, dass sie mit der Ehescheidung selbst nicht einverstanden sei. Somit decke die Eingabe der Antragstellerin vom 26. August 2020 nicht die Annahme, dass damit – wenngleich unklar ausgedrückt – die Antragstellerin den Antrag auf einvernehmliche Ehescheidung zurücknehmen wolle und es daher einer Verbesserung bedürfe bzw. eine solche überhaupt noch möglich sei.
Dem kann nicht beigepflichtet werden. Zutreffend hat das Erstgericht die Erklärung der unvertretenen Klägerin in der Eingabe vom 26. August 2020 als nicht eindeutig beurteilbar dafür erachtet, ob die Klägerin damit alleine den Scheidungsvergleich anfechten wollte und der Scheidungsbeschluss somit rechtskräftig werden sollte oder aber ob beides nicht rechtskräftig werden sollte und sie davon ausgehend den Scheidungsantrag zurückziehen wollte. Es kann wohl nicht davon ausgegangen werden, dass die rechtsunkundige Klägerin in der Lage war, die mit ihrer Erklärung verbundenen Rechtsfolgen zureichend abzuschätzen. Es ist daher von einem verbesserungsfähigen Mangel auszugehen. Nach § 10 Abs 4 AußStrG sind Form- und Inhaltsmängel, die weitere Verfahrensschritte hindern, zu verbessern.
Zur Verbesserung des Anbringens kann auch die Partei zu Gericht geladen werden, um mit deren Hilfe zu verbessern (s. auch § 59 Geo). Dies wird immer dann zweckmäßig sein, wenn sich aus dem Anbringen ergibt, dass die Partei einer Anleitung und Belehrung bedarf (§ 14 AußStrG). 15 R 452/20a
Die Klägerin hat nun ihre Eingabe vom 26. August 2020 dahin verbessert, dass sie ihren Scheidungsantrag zurückziehen wollte. Diese Verbesserung in der Verhandlung vom 22. Oktober 2020 gilt daher – wie das Erstgericht zutreffend darlegt - als am 26. August 2020 eingebracht.
Da nach der allgemeinen Regelung des § 11 Abs 1 AußStrG ein Antrag grundsätzlich nur bis zur Entscheidung des Gerichts I. Instanz zurückgenommen werden kann, stellt § 94 Abs 3 AußStrG ausdrücklich klar, dass eine Antragsrücknahme im Scheidungsverfahren noch bis zum Eintritt der Rechtskraft zulässig ist. Jeder Ehegatte kann den Scheidungsantrag bis zum Einritt der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses zurücknehmen.
Die Zurücknahme des Scheidungsantrags ist beim Gericht I. Instanz als Schriftsatz oder mündlich zu Protokoll einzubringen (§ 10 Abs 1 AußStrG; vgl. Nademleinsky in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG², § 94 AußStrG Rz 13ff).
Die Zurücknahme des Antrags hat zur Folge, dass sogar ein schon ergangener Scheidungsbeschluss (ipso iure) wirkungslos wird, dies hat das Gericht I. Instanz mit (deklarativem) Beschluss festzustellen (§ 94 Abs 3 Satz 2 AußStrG). Ein bereits abgeschlossener Scheidungsvergleich wird wirkungslos, weil er durch die Ehescheidung bedingt ist. Ein unterbrochenes Scheidungsverfahren ist sodann auf Antrag wieder aufzunehmen (§ 460 Z 10 Satz 3 ZPO; Nademleinsky in Gitschthaler/Höllwerth, aaO, § 94 Rz 18).
Überträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, so zeigt sich, dass die Klägerin ihren Antrag auf einvernehmliche Scheidung durch Verbesserung ihrer Eingabe vom 26. August 2020 wirksam zurückgezogen hat und der Scheidungsbeschluss vom 29. Juli 2020 somit wirkungslos ist. Zutreffend hat das Erstgericht daher die Ausstellung einer Rechtskraftbestätigung über diesen wirkungslosen Beschluss für nicht möglich erachtet und den darauf abzielenden Antrag des Beklagten abgewiesen.
Dem Rekurs konnte daher insgesamt kein Erfolg zukommen.