Verechnungskonto GmbH - "Privatentnahmen"
Der Ausdruck „Privatentnahme“ deutet darauf hin, dass ein Unterhaltspflichtiger Vermögenswerte von seinem betrieblichen in seinen privaten Bereich transferiert. Ein Gesellschafter einer GmbH kann aus der Gesellschaft keine „Privatentnahmen“ in diesem Sinn tätigen, weil die Gesellschaft eigene Rechtspersönlichkeit hat (§ 61 Abs 1 GmbHG). Es ist in der Praxis nicht unüblich, dass Gesellschafter Geschäftsführer von der GmbH Geldbeträge oder geldwerte Vorteile erlangen („Quasi Entnah-men“), die bei ordnungsgemäßer Verbuchung auf dem Verrechnungs-konto des Gesellschafter Geschäftsführers erfasst werden. Diese Entnahmen führen zu einer entsprechenden Forderung der GmbH, die der Gesellschafter Geschäftsführer zurückzuzahlen hat (zum Ganzen s Siart/Dürauer, Die Unterhaltsbemessung bei beherrschendem Einfluss auf eine GmbH, EF Z 2009/45 [51]).
Siart/Dürauer aaO führen aus, dass ein unterhaltspflichtiger Gesellschafter Geschäftsführer bei einem ausreichenden beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft mbH die alleinige Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Rückforderung eines offenen Verrechnungskontos inne habe. Würde ein Gesellschafter Geschäftsführer der GmbH über ein Verrechnungskonto laufend Vermögen entziehen, um damit seine private Lebensführung zu bestreiten (wirtschaftliche Entnahme), dann könnte er seine übrigen Einkünfte aus dieser GmbH (Geschäftsführerbezüge, Gewinnausschüt-tungen), anhand derer der Unterhalt bemessen werde, gering halten. Falls die über ein Verrechnungskonto bezogenen Gelder in diesem Fall nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen würden (da ja grundsätzlich eine Rückzahlungsverpflichtung bestehe), käme es zu dem unterhaltsrechtlich nicht wünschenswerten Ergebnis, dass der Unterhalts-berechtigte seine Ansprüche an den künstlich niedrig gehaltenen Einkünften (Geschäftsführerbezüge, Gewinnausschüttungen) bemessen müsste, während der Unterhaltspflichtige ein tatsächlich verfügbares, höheres Einkommen beziehe, das er überwiegend nicht mit dem Unterhaltsberechtigten teile. Bei unterhaltspflichtigen Gesellschafter Geschäftsführern, die einen beherrschenden Einfluss auf eine GmbH hätten - insbesondere also bei Geschäftsführern, die auch Alleingesellschafter dieser GmbH seien - seien über Verrechnungskonten bezogene Gelder wohl zusätzlich zu den sonstigen Geschäftsführerbezügen in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Derartige Unterhaltspflichtige hätten sonst die Möglichkeit, die Unterhaltsansprüche eines Unterhaltsberechtigten zu schmälern, indem sie ihre angemessenen Geschäftsführerbezüge kürzen und sich einen Teil ihrer Bezüge über Verrechnungskonten auszahlen lassen. Aufgrund der alleinigen Verfügungsmacht könnten solche Unterhaltspflichtige den Zeitraum und die Modalitäten für die Rückzahlung der auf diese Weise entstehenden Verbindlichkeit des (Allein )Gesellschafters gegenüber der GmbH (Verrechnungskonto) bestimmen und steuern. Entscheidend in diesem Zusammenhang sei auch, inwieweit der Gesellschafter Geschäftsführer diese über Verrechnungskonten bezogenen Gelder für seine private Lebensführung tatsächlich verbraucht habe bzw verbraucht haben müsse. Komme jedoch einem unterhaltspflichtigen Gesellschafter Geschäftsführer keine ausreichend beherrschende Stellung in einer GmbH zu (wenn er etwa nur einen geringen Gesellschaftsanteil habe und es keine Hinweise auf Naheverhältnisse zu anderen Gesellschaftern, die eine mittelbare Einflussnahme auf die Entscheidungen der GmbH ermöglichen, gebe), bestehe keine Veranlassung, über Verrechnungskonten bezogene Gelder in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, würden doch die übrigen „unabhängigen“ Gesellschafter für eine zeitnahe Rückzahlung von offenen Verrechnungskonten eintreten.
Die von Siart/Dürauer zum Gesellschafter Geschäftsführer mit beherrschendem Einfluss vertretene Auffassung teilt auch der Revisionswerber. Sie ist hier aber nicht entscheidungswesentlich.
Dass er - wovon das Rekursgericht ausgegangen ist - keinen formell beherrschenden Einfluss auf die GmbH hat, führt aber nach den Umständen des Falls nicht zu dem von ihm gewünschten Ergebnis. Zunächst ist festzuhalten, dass die Entnahmen des Rechtsmittelwerbers aus der GmbH nach der unwidersprochenen Annahme des Rekursgerichts der Finanzierung seines privaten Lebensaufwands dienen. Im Sinn der oben zitierten Entscheidung 4 Ob 94/99y ist für die Bemessung des Unterhalts bis Ende 2008 unerheblich, dass der Vater bis dahin getätigte Entnahmen zurückzahlen muss und allenfalls in Zukunft auch zurückzahlen wird. Denn mit den vom Rekursgericht festgestellten Entnahmen standen ihm tatsächlich weitere Mittel zur Verfügung, die seine wirtschaftliche Lage bestimmten, sodass sein unterhaltsberechtigtes Kind nur dann angemessen an den Lebensverhältnissen seines Vaters teilnimmt, wenn die Entnahmen berücksichtigt werden.
Zutreffend ist aber auch die Beurteilung des Rekursgerichts, dass der Durchschnitt der Entnahmen in den Jahren 2006 bis 2008 für die Bemessung des Unterhalts ab 1. 1. 2009 zu berücksichtigen ist.
Dass bei einem Gesellschafter Geschäftsführer einer GmbH ohne ausreichende beherrschende Stellung nie Veranlassung bestünde, über Verrechnungskonten bezogene Gelder in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, vertreten auch Siart/Dürauer nicht. Die wirtschaftliche Lage eines Gesellschafter Geschäftsführers mit nicht beherrschendem Einfluss, der über Verrechnungskonten Gelder der GmbH entnimmt, die tatsächlich jahrelang nicht zurückgezahlt werden und für deren Rückzahlung ein Termin in naher Zukunft nicht feststeht, ist kaum anders als jenes Gesellschafter Geschäftsführers, der aufgrund seiner alleinigen Verfügungsmacht Zeitraum und Modalitäten der Rückzahlung bestimmen und steuern kann, sodass es gerechtfertigt ist, die Entnahmen auch für die Bemessung künftigen Unterhalts zu berücksichtigen.
Der Rechtsmittelwerber hat in erster Instanz nicht einmal behauptet, sein Mitgeschäftsführer oder seine Mitgesellschafter würden für eine zeitnahe Rückzahlung eintreten. Er hat auch keinen Termin (keine Termine) für eine Rückzahlung behauptet. Er hat nur ausgeführt, dass er keinen beherrschenden Einfluss ausübe und dass der sich im Stand des Verrechnungskontos widerspiegelnde Kredit wie jeder Kredit auch verzinst zurückzuzahlen sei (ON 48, S 2 = AS 354). Vor diesem Hintergrund und aufgrund der Tatsache, dass der Debetsaldo am Verrechnungskonto des Vaters zumindest über die Dauer von vier Jahren stetig um Beträge von rund 20.000 EUR jährlich wuchs und über mindestens fünf Jahre hinweg keine Rückzahlungen erfolgten, ist die Beurteilung des Rekursgerichts zu billigen, dass nach den Umständen des hier zu entscheidenden Falls die Entnahmen des Vaters aus der GmbH eine fortlaufende Einnahmequelle bilden.