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Betreuungsrechtliches Unterhaltsmodell

Unterhaltsrechner bis 31.12.2015 --- ab 01.01.2016 --- ab 01.01.2019

Annähernd gleiches Einkommen:

Bei gleichwertigen Betreuungs- und Naturalunterhaltsleistungen besteht kein ergänzender Geldunterhaltsanspruch, wenn die Einkommen der Eltern annähernd gleich sind.

Gleich hohes Einkommen ist dann gegeben, wenn das Einkommen eines Elternteils das Einkommen des anderen nicht beträchtlich übersteigt, wobei Unterschiede bis zu einem Drittel hinzunehmen sind.

Die Anwendung des sogenannten „betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodells“, das zu einem Entfall des Geldunterhaltsanspruchs des Kindes führt, setzt nach der jüngeren, mittlerweile als gefestigt anzusehenden Rechtsprechung voraus, dass die Betreuungs- und Naturalleistungen in etwa gleichwertig sowie die Einkommen der Eltern etwa gleich hoch sind oder jeweils einen über der Luxusgrenze liegenden Unterhaltsanspruch zulassen. Ins Gewicht fallende Einkommensunterschiede würden zu einem Restgeldunterhaltsanspruch gegen den besserverdienenden Elternteil führen.

Jedenfalls was die mit der Betreuung zusammenhängenden Kosten betrifft, kann ein nach der Prozentsatz Judikatur zustehender Unterhaltsanspruch nicht zweimal gekürzt werden, einmal wegen der teilweisen Betreuung und ein weiteres Mal durch die Anrechnung dieser Naturalleistungen.

Die Eltern haben bei annähernd gleichteiliger Betreuung nicht nur die alltäglichen Kosten, sondern auch die zusätzlich notwendigen Aufwendungen (Schuhe, Kleidung, Sportsachen, Schulkosten und dergleich) entsprechend dem Verhältnis der Einkommen zu tragen. Andernfalls entsteht ein Ausgleichsanspruch gegen den minderleistenden Elternteil.

Mit der Frage, wie der Unterhaltsanspruch eines Kindes bei gleichwertigen Betreuungsleistungen und gleichwertigen sonstigen Naturalleistungen, aber bei unterschiedlichem Einkommen der Eltern zu berechnen ist, hat sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung zu 1 Ob 158/15i näher auseinandergesetzt. Demnach ist der fiktive Geldunterhaltsanspruch des Kindes gegen jeden Elternteil nach der Prozentsatzmethode zu ermitteln, die derart ermittelten Beträge sind dann unter Berücksichtigung der Transferzahlungen zu halbieren und sodann zu saldieren. Die auf diese Weise errechnete Differenz ergibt den Restgeldunterhaltsanspruch (Ergänzungsunterhaltsanspruch) des Kindes gegenüber dem besser verdienenden Elternteil. Die von diesem tatsächlich erbrachten Naturalleistungen, wie etwa Taschengeld oder Handykosten, sind vom verbleibenden Restgeldunterhalt nicht abzuziehen.
Durch diesen Ergänzungsunterhalt soll das Kind in die Lage versetzt werden, während der Zeit der Betreuung im Haushalt des schlechter verdienenden Elternteils am höheren Lebensstandard des anderen Elternteils weiterhin teilzunehmen. Der Restgeldunterhalt (Ergänzungsunterhalt) soll damit die aus den unterschiedlichen Einkommen der Eltern resultierenden unterschiedlichen Lebensverhältnisse ausgleichen. In einem solchen Fall kommt es – trotz betreuungsrechtlichem Unterhaltsmodell – nicht zum Entfall des Geldunterhalts.

Voraussetzung für den gänzlichen Entfall des Geldunterhaltsanspruchs ist also neben der gleichwertigen Betreuungssituation (im engeren Sinn), dass auch die sonstigen bedarfsdeckenden Naturalleistungen von beiden Elternteilen etwa (annähernd) gleichwertig erbracht werden. Ist dies nicht der Fall, steht dem Kind weiterhin ein Restgeldunterhaltsanspruch gegen den leistungsfähigeren und/oder weniger betreuenden Elternteil zu, der das unterschiedliche Betreuungsverhältnis bzw den höheren Lebensstandard, an dem das Kind beim anderen Elternteil dann mitpartizipieren kann, ausgleicht.

J***** befindet sich nach den maßgeblichen Feststellungen während der Schulzeit in einem Internat und verbringt die Wochenenden und die Ferienzeit in etwa gleichem Ausmaß bei seinen Eltern. Die Kosten für das Internat sowie der monatliche Kostenbeitrag für die Verpflegung und die Kosten für die sonst notwendigen Anschaffungen wie Bekleidung etc trägt aber die Mutter alleine. Betreuung im eigenen Haushalt gemäß § 231 Abs 2 erster Satz ABGB bedeutet die altersabhängige übliche Versorgung des Kindes in einem geordneten und funktionierenden Haushalt. Unter diesem Gesichtspunkt wird eine teilweise „außerhäusliche Betreuung“ etwa in einem Internat der
elterlichen Betreuung zugerechnet, solange der haushaltsführende Elternteil in seinem Haushalt die sonst üblichen Betreuungsleistungen wenigstens regelmäßig zu bestimmten Restzeiten erbringt. In einem solchen Fall liegt immer noch Betreuung im Sinne des § 231 Abs 2 ABGB vor.

Die Mutter kommt nach den Feststellungen für die gesamten mit dem Internatsaufenthalt des Sohnes verbundenen Kosten auf. Dafür, diese Zeiten als „neutral“ zu werten, wie es dem Vater offensichtlich vorschwebt, wenn er meint, J***** müsse lediglich zu einem Viertel der Gesamtzeit an seinem Lebensstandard teilhaben, fehlt jede Grundlage. Solange keine Beiträge des Vaters erfolgen, bedeutet diese Form der Drittunterbringung des Minderjährigen immer noch „Betreuung durch die Mutter“ im Sinne
des § 231 Abs 2 erster Satz ABGB, auch wenn sich J***** während der Schulzeiten nicht bei ihr aufhält. Dem Vater unter dem Titel eines „Ausgleichsanspruchs“ (dazu gleich unten) einen Teil der Internatskosten aufzuerlegen, wie er unter anderem anstrebt, um auf diesem Weg Betreuungszeiten zu neutralisieren und so das „betreuungsrechtliche Unterhaltsmodell“ zu rechtfertigen, kann mit den Grundsätzen des Unterhalts, der in erster Linie die laufenden Lebensbedürfnisse eines Kindes decken soll, nicht in Einklang gebracht werden.

Annähernd gleiche Betreung:

Die Beurteilung als „gleichwertige Betreuungsleistungen“ erlaubt – wenn überhaupt – nur ganz geringfügige Unterschiede. Dementsprechend sprechen der 7. Senat und der 1. Senat von „völlig gleichwertig“. Auch der 8. Senat teilt nicht die Ansicht, dass die Betreuung dann gleichwertig sei, wenn kein Elternteil mindestens zwei Drittel der Betreuungsleistungen erbringe. Die erwähnten ganz geringfügigen Unterschiede können mit dem Begriff „nahezu gleichwertig“ ausgedrückt werden.

Ab wann von gleichwertigen Betreuungsleistungen der Eltern die Rede sein kann, ist angesichts der Vielfalt familiärer Lebens- und Betreuungsmodelle gleichfalls nicht mit einem starren Prozentsatz festzulegen.

4:3

200:160

keine annähernd gleiche Betreuung:

64% : 36%

66% : 34%

Nach den Feststellungen trägt die Mutter – von hier nicht ins Gewicht fallenden Ausnahmen abgesehen (vgl dazu 1 Ob 158/15i) – die Kosten für sämtliche bedarfsorientierten Naturalleistungen. Die Betreuungsleistungen hingegen werden von beiden Elternteilen in etwa gleichwertig erbracht. Für den Fall, dass bei gleichwertigen Betreuungsleistungen ein Elternteil neben der Betreuung im Haushalt zusätzlich die notwendigen Aufwendungen für Bekleidung, Schuhwerk und dergleichen überwiegend trägt, wird vertreten, dass dies zu einem Ausgleichsanspruch gegen den minderleistenden Elternteil führen. Dieser Ausgleichsanspruch soll dem Kind gegenüber dem mehrleistenden zu Handen des minderleistenden Elternteils zustehen.
Nach anderer Meinung soll das „betreuungsrechtliche Unterhaltsmodell“ nur anwendbar sein, wenn neben der gleichteiligen Betreuung auch die Naturalleistung in annähernd gleichem Umfang erbracht wird. Ist dies nicht der Fall, soll es bei der Unterhaltsbemessung nach der Prozentsatzmethode bleiben.

Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass nach dem „betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodell“ ein Geldunterhaltsanspruch des Kindes gegenüber seinen Eltern nur dann nicht mehr bestehen soll, wenn die Betreuungs und Naturalleistungen der Eltern völlig gleichwertig sind und das maßgebliche Einkommen der Eltern etwa gleich hoch ist. Im
vorliegenden Fall beträgt das Einkommen der Mutter ca ein Fünftel jenes des Vaters, was nach den Grundsätzen der Entscheidung 1 Ob 158/15i zu einem Geldunterhaltsanspruch führt. Hinzu kommt, dass die Mutter über die (gleichteilig mit dem Vater ausgeübte) Betreuung des Minderjährigen hinausgehend im Wesentlichen alle Kosten trägt, die erforderlich sind, um die angemessenen Kindesbedürfnisse regelmäßig oder für längere Dauer zu befriedigen. Die Verteilung dieser Kosten entspricht dem Grundtatbestand des § 231 Abs 2 ABGB. Damit sind nach Ansicht des Senats die tatsächlichen Verhältnisse in Bezug auf P***** nicht mit jenen Voraussetzungen vergleichbar, die nach der Rechtsprechung für die Annahme eines „betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodells“ erforderlich sind.

Für die Anwendung des „betreuungsrechtlichen Unterhaltsmodells“ spricht lediglich die gleichteilige Betreuungssituation. Damit verbunden ist aber nur die Versorgung des Minderjährigen durch den Vater während der Zeiten des Aufenthalts bei ihm, ohne dass sich der Vater sonst an den für die Befriedigung der Kindesbedürfnisse  erforderlichen Aufwendungen beteiligen würde. Abgesehen von der – wenn auch weit über das Maß üblicher Kontakte hinausgehenden – Versorgung des Minderjährigen im
Haushalt während dessen Aufenthalte bei ihm entspricht die Stellung des Vaters in allen Belangen der des geldunterhaltspflichtigen Teils, wie sie § 231 Abs 2 ABGB gegenüber dem hauptbetreuenden Elternteil vor Augen hat. Allein der Umstand, dass der Vater gleichteilige Betreuungsleistungen übernimmt, führt zu keiner nennenswerten Ersparnis der Mutter und gibt nach Ansicht des Senats daher keinen Anlass, vom gesetzlichen Ansatz abzugehen. Der vom Vater aufgrund der Aufenthalte des Minderjährigen bei ihm geleistete Naturalunterhalt ist, weil die Aufenthalte über ein übliches Kontaktrecht weit hinausgehen, mit einem prozentuellen Abschlag vom Geldunterhalt zu berücksichtigen. Die vom Vater geforderte Ergänzung des Verfahrens zur Ermittlung der monatlichen Kosten für die bedarfsorientierten Naturalunterhaltsleistungen, um einen Ausgleichsanspruch des Kindes ihm als den minderleistenden Elternteil gegenüber feststellen zu können, um das „betreuungsrechtliche Unterhaltsmodell weiterzuentwickeln“, ist damit entbehrlich.

Ablehnung eines Ausgleichsanspruchs zwischen den Eltern:

Der für diesen Fall teilweise vertretene „Ausgleichsanspruch“, der dem Kind gegen den minderleistenden Elternteil zu Handen des mehrleistenden Elternteils zustehen soll wird vom 8. Senat abgelehnt. Ein solcher Anspruch lässt sich aus dem Gesetz nicht ableiten und würde im Ergebnis zu einer Rechnungslegungspflicht des mehrleistenden Elternteils führen. Ein solcher Anspruch lässt sich auch mit dem Grundprinzip des § 231 ABGB nicht in Einklang bringen, demzufolge das Kind grundsätzlich auch über einen Geldunterhaltsanspruch verfügt und dieser Anspruch daher nur in ganz beschränkten Ausnahmefällen entfallen darf. Bei der Beurteilung, ob die Naturalleistungen etwa (annähernd) gleichwertig sind, kommt es nur auf die bedarfsdeckenden, also nach den konkreten Bedürfnissen des Kindes zweckmäßigen Leistungen an. Aus diesem Grund besteht die Gefahr, dass „zwischen Mutti und Papi ein lustiges Wettrennen mit offenem Ausgang“ stattfinden.