Zum Hauptinhalt springen Skip to page footer

Anspannungsgrundsatz und Prüfung der Voraussetzungen

Ein Verstoß gegen die Anspannungsobliegenheit kann in einem während des Bemessungszeitraums andauernden und jederzeit änderbaren Verhalten des Unterhaltspflichtigen liegen (zB Nachlässigkeit bei der Suche nach einem Arbeitsplatz). In diesem Fall erfolgt die Unterhaltsbemessung aufgrund des fiktiven Einkommens, das für den Unterhaltspflichtigen nach einer (möglichen und zumutbaren) Verhaltensänderung realistisch erzielbar ist. Eine Anspannung eines Unterhaltsschuldners auf tatsächlich nicht erzieltes Einkommen darf in diesem Fall nur dann erfolgen, wenn ihn ein Verschulden (zumindest leichte Fahrlässigkeit) daran trifft, dass er kein Erwerbseinkommen hat oder ihm die Erzielung eines höheren als des tatsächlichen Einkommens zugemutet werden kann.
Auf einer zweiten Ebene stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen dem Unterhaltsschuldner eine (singuläre) nicht mehr rückgängig zu machende Fehlentscheidung als Verstoß gegen die Anspannungsobliegenheit vorgeworfen werden kann (zB Aufgabe eines gut bezahlten Arbeitsvertrags ohne vergleichbare Verdienstmöglichkeiten am Arbeitsmarkt). In solchen Fällen erfolgt die Unterhaltsbemessung nicht auf Basis eines im Bemessungszeitraum durch eine Verhaltensänderung noch erzielbaren Einkommens, sondern auf Basis eines Einkommens, das der Unterhaltspflichtige dann noch erzielen hätte können, wenn er den ursprünglichen Fehler unterlassen hätte. Voraussetzung für die Anspannung muss in solchen Fällen – unter Heranziehung der Wertungen des § 1295 Abs 2 ABGB – das Vorliegen einer Schädigungsabsicht zu Lasten des Unterhaltsberechtigten sein, das heißt Handeln mit zumindest bedingtem Vorsatz, den Unterhaltsberechtigten zu schädigen.